
ein pioniergeist und universalist
Als Cornelius Bohlen im Jahr 1991 Mitglied des Kollegiums der Schule an der Plattenstrasse wurde, ahnte ich schon, dass mit ihm eine klare Veränderung der Zusammenarbeit stattfinden würde. Er hatte in Zürich Ethnologie und Philosophie studiert und brachte einen sachlichen Blick auf unsere sozialen Formen und pädagogischen Fragestellungen mit. Seine Verankerung in einer konsequent anthroposophischen Arbeit war eindeutig. Seine Bekanntschaft mit dem damaligen Kollegen Dr. Nicolas Zbinden, welcher ebenfalls die waldorfpädagogische Dimension im Unterricht der Oberstufe praktizierte, belebte die kollegiale Zusammenarbeit. Cornelius unterrichtete zuerst Deutsch und Geschichte, er engagierte sich auch im freien Religionsunterricht und den dazugehörigen ritualen Handlungen.
Bald erlaubten uns seine scharfe Beobachtungsgabe und Initiativkraft grundsätzliche Veränderungen vorzunehmen, die schliesslich 2003 zur Gründung der Atelierschule führten, ein ganz neues Schulmodell in der Schweiz. Dieser Prozess verlangte von uns Allen Kraft, Ausgewogenheit und Entschlossenheit, damit er umgesetzt werden konnte. Es gelang Cornelius, diesen Prozess zu gestalten, weil er sich ganz sachkundig und umfassend dieser Aufgabe widmete. Wenn er etwas übernimmt, verfolgt er es immer selbstlos und sachorientiert. Etwas mehr als 30 Jahre ist er als Schul- und Projektleiter tätig (Baukommission, Laborhaus, Anerkennung der Lehrpläne …).
Seine Denkweise den Herausforderungen ganzheitlich zu begegnen, führte ihn auch zur Auseinandersetzung mit der kritischen Altersvorsorge der Lehrkräfte an Steinerschulen. Er gehörte klar zu den Befürwortern einer nachhaltigen BVG-Lösung, um eine Stabilität der zukünftigen RentnerInnen zu garantieren (2007-2011). Dort wurde er mit Christof Ammann auch als treibende Kraft wahrgenommen und geschätzt; heute sind hunderte SteinerschullehrInnen in der Schweiz für diese Umsetzung dankbar. Wenn Cornelius etwas in der Schule oder ausserhalb machte, war es immer gründlich, durchgedacht und zugunsten der Menschen: SchülerInnen, Eltern, Kollegen und der Öffentlichkeit. Er ist seit 2011 Mitglied der Stiftung zur Förderung der R. Steiner Pädagogik in der Schweiz und begleitet zahlreiche Initiativen der gesamten Schulbewegung.
Als Präsident der Stiftung der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung und dank seiner Mitwirkung am entstehenden Seminar für Waldorf-Mittelschullehrkräfte wird Cornelius weiterhin an der Peripherie der Schule wirken.
Seine Arbeit in der Schulleitung, in der Zeit als ich noch unterrichtete, war geprägt von Pragmatismus und Klarheit. Die Beiträge von ihm waren immer substanziell und blickten stets auf das Wesentliche; also kein Reduktionismus, Opportunismus und keine Vereinfachung, sie waren geprägt von einer schonungslosen Suche nach der Wahrheit und wahrhaftigen Handlungen.
Seine gründlichen Kenntnisse des Werkes von Rudolf Steiner und der ästhetischen, kunstgeschichtlichen, geschichtlichen und zeitkritischen Betrachtung der verschiedenen Kulturen erlaubte es ihm, Sachlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Begeisterung und Überzeugung zu vermitteln; dies haben Scharen von SchülerInnen sehr geschätzt und seine umfassenden Betrachtungen und Anregungen genossen. Als Lehrer ist er ein Universalist mit vielfältigen Fachkompetenzen. Ich verzichte hier auf unzählige Beispiele aus dieser Zeit, sie würden den Rahmen dieser sogenannten Würdigung sprengen.
Das Wesentliche ist aber das Erkenntnisfeuer, das ihn beseelt; er hat sich restlos der Vertiefung des anthroposophischen Impulses verpflichtet und gezeigt, dass die Verbindung zwischen dem Geistigen und den gesellschaftlichen Bedürfnissen durch Arbeit, Hingabe und Verantwortungsbewusstsein eine Frage der spirituellen Gestaltung ist; diese kann nur aus der menschlichen Freiheit entspringen. Ein Motto von ihm könnte sein: das Potential der menschlichen Freiheit braucht Menschen, die es aufgreifen wollen.
Robert Thomas, ehemaliger Lehrer der Steinerschule Zürich und der Atelierschule
Präsident Verein Rudolf Steiner Schulen Schweiz